Neal Stephenson: Amalthea

Vor langer, langer Zeit ließ Gott sehr viel Wasser vom Himmel regnen, so erzählt es die Bibel, um die sündige Menschheit zu bestrafen. Nur einer baute eine Arche, brachte von jedem Tier, das auf der Erde lebte, ein Paar unter und wartete darauf, dass sich das Wasser zurückzog, um einen neuen Anfang zu wagen, der aber, die Geschichte ist bekannt, ebenfalls reichlich – und dauerhaft - misslang.

 

Einige Jahrtausende später ereilt den Menschen und aller Kreatur auf der Erde das gleiche Geschick, d. h., nicht durch Wasser, sondern durch glühend heißes Feuer, das vom Himmel fällt, ereignet sich die vollkommene Vernichtung. Naja …- beinah. Von einem Gott allerdings, der das alles initiiert hat, weiß der Autor nichts zu berichten. Aber vielleicht hatte er den Psalm 97 im Sinn, in dem es heißt: (…) Feuer läuft vor ihm her/ringsum verzehrt es seine Gegner./Seine Blitze erhellen den Erdkreis, /die Erde sieht es mit Beben./Wie Wachs schmelzen vor dem Herrn die Berge,/vor dem Antlitz des Herrschers der ganzen Erde. (…) Oder noch deutlicher in Psalm 21: Deine Hand trifft all deine Feinde,/deine Rechte trifft, die dich hassen. (Du lässt sie glühen wie einen feurigen Ofen/im Augenblick deines Erscheinens./-Der Herr verschlingt sie in seinem Zorn, es verzehrt sie das Feuer.-/Du wirst ihre Brut von der Erde vertilgen) (...)

 

Stellen Sie sich vor, Sie schauen in einer sternenklaren Nacht zum Mond hinauf, der dort als helle, leuchtende Scheibe in der Dunkelheit hängt. Und plötzlich bricht der Erdtrabant auseinander, in vier, fünf, sechs sieben Stücke … Nein, Sie träumen nicht. Es geschieht tatsächlich!

 

Was für ein Ende! Für alles und jeden auf dem Planeten Erde! Endzeit. Das Ende der Zeit, wie sie Menschen gekannt haben. Das Ende des bekannten Raumes. Das Ende von allem. Von fast allem.

 

 

 

mehr lesen 0 Kommentare

Tim Parks: Sex ist verboten

Sex ist verboten im Dasgupta-Institut, einem buddhistischen Meditationszentrum in England, in dem Vipassana gelehrt und praktiziert wird. Aber nicht nur Sex ist verboten. Reden ist verboten, Schreiben ist es. Singen. Rauchen. Der Kontakt von Männern und Frauen während des zehn Tage andauernden Retreats ist verboten. Selbst Paare dürfen in dieser Zeit nicht miteinander sprechen. Persönliche Habseligkeiten, Geld, Bücher, Telefon, Stifte, Handys, werden in einem Schließfach deponiert, im Speisesaal wird zwischen den Tischen der Männer und der Frauen eine Trennwand errichtet. Verboten, verboten, verboten …

In den ersten drei Tagen beobachten die Praktizierenden nur ihren Atem, die Konzentration liegt darauf, zu verfolgen, wie der Atem ein- und wieder ausströmt. In den darauf folgenden Tagen liegt die Sammlung auf der Betrachtung des Körpers. Die Teilnehmer tasten ihn mit ihrem Geist ab, vom Scheitel bis zu den Fußsohlen, begegnen den Empfindungen, die dabei auftauchen, versuchen, weder an den unangenehmen noch an den angenehmen zu haften.

 

Der in Italien lebende englische Schriftsteller Tim Parks wählt für seinen 2012 erschienenen Roman als Hauptperson eine junge Musikerin, die sich in das Institut zurückgezogen hat. Beth – Elisabeth - Marriot arbeitet als freiwillige Helferin in der Küche, leistet „Dhamma-Service“ im Verlaufe der Retreats. Um vier Uhr steht sie auf, beteiligt sich an der frühmorgendlichen Meditation und beginnt um sechs mit der Vorbereitung des Frühstücks. Seit Monaten hat sie das Grundstück nicht verlassen. Nach einem traumatischen Ereignis ist sie auf der Suche nach Ruhe und Frieden, den sie gefunden zu haben glaubt. Bis zu diesem Morgen. In einem der Männerzimmer hat sie beim Reinigen ein Tagebuch gefunden. „Ich las ein paar Worte und wusste sofort, dass der Typ in ernsthaften Schwierigkeiten steckte.“ (15) Sie nimmt die Hefte mit auf die Frauenseite, liest darin und bemerkt zu spät, dass sie einen Fehler gemacht hat: „Plötzlich waren alle alten Gedanken und Erinnerungen wieder da, sie schrien und brüllten und stampften mit den Füßen, und plötzlich fragte ich mich, ob mein ganzer langer Aufenthalt im Dasgupta-Institut nicht reine Zeitverschwendung gewesen ist.“ (16)

mehr lesen 0 Kommentare

Veronika Peters: Was in zwei Koffer passt Klosterjahre                                        

 

Einundzwanzig Jahre ist Veronika Peters alt, als sie 1987 beschließt, zwei Koffer zu packen, um in einem Benediktinerkloster ein Leben zu führen, für das es in unserer Zeit durchaus noch Raum gibt, für das sich aber zunehmend weniger junge Menschen interessieren.

Die katholische Kirche in Deutschland verliert ihre Mitglieder, Jahr für Jahr treten Tausende aus und entscheiden sich für den Status „konfessionslos“. Mehr als 217000 waren es allein im Jahr 2014. Veronika Peters indes geht mit aller Entschiedenheit hinein in eine Religiosität, deren Sinn es ist, Gott mit aller Kraft in der Gemeinschaft zu dienen, ihn zu suchen und zu finden.

Das Leben im Kloster beginnt für Veronika Peters mit einer halbjährigen Probe- und Ausbildungszeit als Postulantin in Zivilkleidung, um herauszufinden, „ob ein Leben als Benediktinerin in dieser Abtei Ihre Berufung ist“ (11). Das macht ihr Schwester Hildegard deutlich, die fortan ihre Ausbildung übernehmen wird. Sollte sie nach einem halben Jahr den Weg fortsetzen wollen, wird sie Novizin. Nach weiteren zwei Jahren – die Zustimmung der Ordensgemeinschaft vorausgesetzt – kann sie die einfachen Gelübde ablegen, mit denen sie sich für weitere drei Jahre an die Gemeinschaft bindet. Erst nach fünfeinhalb Jahren kann sie nach Ablegen der ewigen Profess vollgültiges Mitglied der Ordensgemeinschaft werden.

Veronika Peters wird diesen Weg gehen, doch die Zweifel, ob das Leben im Kloster tatsächlich das ist, was sie will, bleiben ihr steter Begleiter. Was sucht sie? Was will sie? Sie will „an die Grenze, und nach Möglichkeit darüber hinaus“. Und stellt sich sogleich die Frage: „Ist das spätpubertärer Quatsch, religiöser Fanatismus, einfach Wahnsinn? Und dann die Sache mit dem Zölibat. Ist der Preis zu hoch?“ (36)

Noch steht sie am Anfang ihrer Klosterjahre. Sie muss sich auseinandersetzen, vor allem auch mit den anderen Schwestern, von denen die einen ihr mehr, die anderen ihr weniger wohlgesonnen sind. Die Frauen, die dort leben, haben ihre Eigenarten, ihre Vorlieben, ihre Abneigungen. Und dennoch sind sie eine Gemeinschaft, die nur funktionieren kann, wenn es bei allen Animositäten ein grundsätzliches Miteinander gibt.

Zum Zeitpunkt des Eintritts verfügt die Gemeinschaft über keine auf Lebenszeit gewählte Äbtissin, weil sich die Nonnen nicht auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen konnten. So wurde Schwester Germana „nur“ weisungsbefugtes Oberhaupt.

Es sind viele Fragen, die Veronika Peters zu Beginn ihres Klosterlebens durch den Kopf gehen: Wird sie mit der Novizenmeisterin auskommen, wo sie es doch hasst, „jemanden gehorchen zu müssen“? Wie wird sie mit ihrer Sexualität zurechtkommen? Was bedeuten die Gelübde der „Beständigkeit“, des „Gehorsams“, des „klösterlichen Lebenswandels“? (37)

In Schwester Paula, die tatkräftig im Garten und auf dem Feld arbeitet, findet sie bald eine verlässliche Freundin. Die resolute, warmherzige Nonne „ist wunderbar. Genau das Richtige, um Hildegards Lerneifer zu überstehen.“ (42) Mit der Novizenmeisterin indes wird sie immer wieder aneinandergeraten. Als Hildegard von ihr verlangt, ihr den Walkman auszuhändigen, mit dem sie auch nicht-geistliche Musik hört, packt Veronika Peters der Widerstandsgeist: „Ich könnte einfach sagen, dass ich schnell meine beiden Koffer wieder einpacke und mich davonmache, weil meine kleine existenzielle Versuchsreihe bereits nach 24 Stunden gescheitert ist.“ (58) Doch dann stellt sie sich die Frage, was geschieht, wenn sie verzichtet. Schließlich: „Ich will doch dieses Experiment der Stille, will ohne Ablenkung nachdenken, über Gott, mein Leben, die Welt … erforschen, was wirklich wichtig ist.“ (58)

… erforschen, was wirklich wichtig ist.

mehr lesen 0 Kommentare

Tanya Stewner: Liliane Susewind - So springt man nicht mit Pferden umBuchbesprechug

 

 

Lebensnah und überwirklich, schmerzhaft und zauberhaft schön – so lässt sich Tanya Stewners Roman "Liliane Susewind – So springt man nicht mit Pferden um" beschreiben.

 

In Band 5 der Reihe um das wundersame Mädchen, das mit Tieren reden kann, bekommt Lilli nach den Sommerferien eine neue Schulkameradin: Wolke Jansen, ein schüchternes Mädchen, das sich gleich zu Beginn den Spott einiger Mitschüler gefallen lassen muss, die sich über ihren Vornamen und ihre Schuhe lustig machen. Wolke scheint das ideale Mobbing-Opfer für einige Schüler zu sein. Doch Lilli und Jesahja, der hochbegabte Nachbarsjunge und „Star“ der Schule, der in der Pause von einer Schar Jungen und Mädchen umgeben ist, stehen Wolke bei und helfen ihr gegen die Anfeindungen der Mitschüler.

 

Wolkes Mutter Annabell und ihre Lebensgefährtin Slavika haben einen Reiterhof geerbt. Das Mädchen lädt Lilli und Jesahja ein, sie zu besuchen. Liliane Susewind, die unbedingt reiten lernen möchte, sagt sofort zu und radelt noch am gleichen Tag mit ihrem Freund zum Jansen-Hof. Die Pferde zeigen die Reaktion, die alle Tiere beim Anblick Lillis an den Tag legen: Sie sind von dem rothaarigen Mädchen begeistert. Vor allem ein großer Schimmel, Merlin, kann gar nicht mehr von Lilli lassen. Wolke ist irritiert von dem Tumult, der sich vor ihren Augen ereignet, und als Liliane ihr von ihrer besonderen Gabe berichtet, kann sie es kaum glauben.

 


mehr lesen 0 Kommentare

Tanya Stewner: Liliane Susewind – Schimpansen macht man nicht zum Affen

Tanya Stewners Roman „Liliane Susewind – Schimpansen macht man nicht zum Affen“ - Band 4 der Liliane Susewind-Reihe - ist wieder ein spannendes (Vor-)Leseabenteuer. In dieser Geschichte sind es jedoch eher die Menschen als die Tiere, deren Probleme in den Mittelpunkt rücken. Natürlich ist auch in diesem Buch das eine mit dem anderen verknüpft, aber die Autorin schaut aufmerksam auf die Charaktere ihres Romans, die Schlimmes zu erdulden haben, wobei sich die Frage stellt: Wer spricht aus reinem Herzen ihre Sprache? Wer ist in der Lage, mit Trina und Trixi Korks so vertrauensvoll und liebevoll zu reden, wie Lilli es mit den Tieren gelingt? Wer findet die richtigen Worte, um Jesahja aus seiner düsteren Verzweiflung herauszuholen?

mehr lesen 0 Kommentare

Tanya Stewner: Liliane Susewind – Rückt dem Wolf nicht auf den Pelz! 

Papa, kannst du bitte vorlesen?, fragt meine Tochter.

Klar, mach ich!, antworte ich. Und was? Liliane Susewind – Rückt dem Wolf nicht auf den Pelz, geschrieben von Tanya Stewner mit Bildern von Eva Schöffmann-Davidov, Band 7 der Liliane Susewind-Reihe

 

Liliane Susewind hat es nicht leicht in ihrem neuen Abenteuer: Nachdem ihre Mutter öffentlich erklärt hat, dass das Mädchen mit Tieren sprechen kann und überdies noch Blumen wachsen und erblühen lässt, wenn sie fröhlich lacht, wird das Haus der Susewinds von Journalisten belagert, die unbedingt von diesem außergewöhnlichen Kind berichten wollen. Lilli kommt kaum noch aus dem Haus, weil die Fotografen so aufdringlich sind, dass sie ihr überallhin folgen.

mehr lesen 0 Kommentare

Kommentar schreiben

Kommentare: 0