Veronika Peters: Was in zwei Koffer passt Klosterjahre                                        

 

Einundzwanzig Jahre ist Veronika Peters alt, als sie 1987 beschließt, zwei Koffer zu packen, um in einem Benediktinerkloster ein Leben zu führen, für das es in unserer Zeit durchaus noch Raum gibt, für das sich aber zunehmend weniger junge Menschen interessieren.

Die katholische Kirche in Deutschland verliert ihre Mitglieder, Jahr für Jahr treten Tausende aus und entscheiden sich für den Status „konfessionslos“. Mehr als 217000 waren es allein im Jahr 2014. Veronika Peters indes geht mit aller Entschiedenheit hinein in eine Religiosität, deren Sinn es ist, Gott mit aller Kraft in der Gemeinschaft zu dienen, ihn zu suchen und zu finden.

Das Leben im Kloster beginnt für Veronika Peters mit einer halbjährigen Probe- und Ausbildungszeit als Postulantin in Zivilkleidung, um herauszufinden, „ob ein Leben als Benediktinerin in dieser Abtei Ihre Berufung ist“ (11). Das macht ihr Schwester Hildegard deutlich, die fortan ihre Ausbildung übernehmen wird. Sollte sie nach einem halben Jahr den Weg fortsetzen wollen, wird sie Novizin. Nach weiteren zwei Jahren – die Zustimmung der Ordensgemeinschaft vorausgesetzt – kann sie die einfachen Gelübde ablegen, mit denen sie sich für weitere drei Jahre an die Gemeinschaft bindet. Erst nach fünfeinhalb Jahren kann sie nach Ablegen der ewigen Profess vollgültiges Mitglied der Ordensgemeinschaft werden.

Veronika Peters wird diesen Weg gehen, doch die Zweifel, ob das Leben im Kloster tatsächlich das ist, was sie will, bleiben ihr steter Begleiter. Was sucht sie? Was will sie? Sie will „an die Grenze, und nach Möglichkeit darüber hinaus“. Und stellt sich sogleich die Frage: „Ist das spätpubertärer Quatsch, religiöser Fanatismus, einfach Wahnsinn? Und dann die Sache mit dem Zölibat. Ist der Preis zu hoch?“ (36)

Noch steht sie am Anfang ihrer Klosterjahre. Sie muss sich auseinandersetzen, vor allem auch mit den anderen Schwestern, von denen die einen ihr mehr, die anderen ihr weniger wohlgesonnen sind. Die Frauen, die dort leben, haben ihre Eigenarten, ihre Vorlieben, ihre Abneigungen. Und dennoch sind sie eine Gemeinschaft, die nur funktionieren kann, wenn es bei allen Animositäten ein grundsätzliches Miteinander gibt.

Zum Zeitpunkt des Eintritts verfügt die Gemeinschaft über keine auf Lebenszeit gewählte Äbtissin, weil sich die Nonnen nicht auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen konnten. So wurde Schwester Germana „nur“ weisungsbefugtes Oberhaupt.

Es sind viele Fragen, die Veronika Peters zu Beginn ihres Klosterlebens durch den Kopf gehen: Wird sie mit der Novizenmeisterin auskommen, wo sie es doch hasst, „jemanden gehorchen zu müssen“? Wie wird sie mit ihrer Sexualität zurechtkommen? Was bedeuten die Gelübde der „Beständigkeit“, des „Gehorsams“, des „klösterlichen Lebenswandels“? (37)

In Schwester Paula, die tatkräftig im Garten und auf dem Feld arbeitet, findet sie bald eine verlässliche Freundin. Die resolute, warmherzige Nonne „ist wunderbar. Genau das Richtige, um Hildegards Lerneifer zu überstehen.“ (42) Mit der Novizenmeisterin indes wird sie immer wieder aneinandergeraten. Als Hildegard von ihr verlangt, ihr den Walkman auszuhändigen, mit dem sie auch nicht-geistliche Musik hört, packt Veronika Peters der Widerstandsgeist: „Ich könnte einfach sagen, dass ich schnell meine beiden Koffer wieder einpacke und mich davonmache, weil meine kleine existenzielle Versuchsreihe bereits nach 24 Stunden gescheitert ist.“ (58) Doch dann stellt sie sich die Frage, was geschieht, wenn sie verzichtet. Schließlich: „Ich will doch dieses Experiment der Stille, will ohne Ablenkung nachdenken, über Gott, mein Leben, die Welt … erforschen, was wirklich wichtig ist.“ (58)

… erforschen, was wirklich wichtig ist.

 

 

Was wirklich wichtig ist, liegt niemals im Außen. Es ist kein Auto, kein Haus, kein Walkman. Es kann nur im eigenen Innern gefunden, dort, wo Gott geduldig darauf wartet, erkannt zu werden. Nur im eigenen Innern findet die Seele den Weg zurück nachhause, zurück zu Gott. Wenn alles Äußere abgelegt ist, wenn der Mensch nichts mehr höher achtet als die Erkenntnis Gottes, nichts Trennendes mehr zwischen Gott und Mensch steht, dann kann Gott reden, auf dass die Seele des Menschen gesunde.

Doch die Auseinandersetzungen mit Schwester Hildegard zehren an ihr und lassen in ihr das Verlangen entstehen, das Kloster zu verlassen. Aber da ist immer wieder der Zuspruch durch die Mitschwestern, die ihr mit einem Lächeln, einem Gespräch, einer Umarmung, einem Zettel Ermutigung zusprechen.

Sie bleibt und wird schließlich nach einem halben Jahr zur Einkleidung als Novizin zugelassen. Am 27. März ist es so weit. Zur Einkleidung sind Freunde und ehemalige Kollegen gekommen, von denen einige ihren Entschluss, Nonne zu werden, nicht nachvollziehen können. Veronika Peters Ex-Freund ist nicht erschienen. Er lässt ihr ausrichten, dass er versucht habe, zu verstehen. Was ihm wohl nicht gelungen ist, denn er möchte sie nie wiedersehen.

Sex. Das ist auch etwas, was die anderen nicht verstehen: „Ich bin nicht hier, weil ich keinen Sex mehr will. Für mich ist das ein echter Verzicht, es tut weh. Oft genug denke ich, das werde ich nicht schaffen, aber ich muss es versuchen. Nicht weil ich keine Lust mehr auf Kerle habe, sondern weil ich etwas herausfinden will, was möglicherweise jenseits dessen eine Erfüllung schenkt, die ich sonst nicht finden würde. Nicht besser, sondern anders. Verstehst du?“ (94)

Der erste Morgen als Novizin. Als Veronika Peters es wagt, in den Spiegel zu schauen, sieht sie eine Nonne an: „Fremd ist sie, könnte mir gefallen. Vielleicht.“ (103)

Mit diesem Vorbehalt – „könnte mir gefallen, vielleicht“ – wird junge Nonne ihre weiteren Jahre im Kloster verbringen. Tatsächlich wird sich die Haltung nie ändern, die das gelebte Leben, das doch gewollt ist, immer mit einem Fragezeichen versieht und es dahingehend prüft, ob es auch passt. Das wird sie Teile der Gemeinschaft fremd sein lassen, während andere sie in ihrem Sosein, in ihrem Zwiespalt belassen, um ihr dennoch nahe zu sein.

Zwanzig Monate ist Veronika Peters nun im Kloster. Schwester Germana tritt aus Altersgründen von ihrem Amt zurück. Damit verliert die Novizin eine Fürsprecherin, die immer ein „liebevolles Auge“ auf sie gehabt hatte. Nun muss eine neue Äbtissin gewählt werden. Unter einer neuen Oberin scheint das Ergebnis der Abstimmung, ob Veronika Peters im Kloster bleiben darf, ungewiss. Sie ist sich unsicher, welche Schwester in dieses Amt gewählt wird. Aber: „Ich will jetzt nicht weg. Im Herbst vielleicht oder im Winter, wenn die Äpfel aufgebraucht sind und der Küchendienst wartet. Oder wenn sich endgültig herausstellt, dass hier keine Antworten zu finden sind.“ (120)

Antworten. Auf welche Fragen? Veronika Peters berichtet in ihrem Buch oft von den Anfechtungen, Zweifeln, dem Wunsch zu gehen. Doch welchen Fragen haben sie in das Kloster geführt? Welche Antworten hat sie bekommen? Leider wird diese Ebene der Auseinandersetzung ausgeklammert. Den „innersten Raum“ ihrer Seele öffnet sie dem Leser nicht. Das ist schade, denn vor allem vor diesem Hintergrund hätte sich die Möglichkeit geboten, den „Klosterjahren“ noch eine weitere Dimension abzugewinnen, die die Attraktivität eines gottgeweihten Lebens hätten sinnfällig werden lassen. Stattdessen zeigt sie ihre Unsicherheit in der Frage: Gehen oder Bleiben. „Nun bist du schon zweieinhalb Jahre hier und immer noch auf dem Sprung“, sagte Paula gestern. (124) Und ihre Reaktion darauf: „Die Freiheit zu gehen als Motivation zu bleiben. Reicht das?“ (124)

Diese Argumentation allerdings mag ich Veronika Peters nicht abnehmen: Ohne Zweifel ist ihre Motivation, zu bleiben, eine andere. Ja, sie kann gehen, wenn ihr die Auseinandersetzungen zu sehr zusetzen. Aber da ist immer noch ein Versprechen auf ein Mehr, das sich – offenbar – noch nicht eingelöst hat.

Mit der Wahl Raphaelas zur neuen Äbtissin kann auch Veronika Peters leben. Sie setzt in sie die Hoffnung auf eine „Schlüsselfigur“, der es gelingt, Alte und Junge verständnisvoll zusammenzuführen, um ein klösterliches Leben in gegenseitiger Verantwortung zu garantieren.

Über die Zulassung zur ersten Profess müssen alle Nonnen abstimmen. Die Äbtissin teilt Veronika Peters mit, dass durchaus die Möglichkeit bestehe, dass sie durchfalle. Es gebe Zweifel daran, dass die Novizin für ein Leben in der Gemeinschaft geeignet sei. Nun spiegelt sich im Außen das Innen. Die eigenen Zweifel, die Unsicherheit in Bezug auf das Leben im Kloster werden offenbar von einigen Schwestern geteilt. Dennoch: Die Eröffnung Raphaelas schockiert die Novizin. Auch hier zeigt sich wieder der grundlegende Zwiespalt: „Merkwürdig, seit mehr als zwei Jahren spiele ich beinah täglich mit dem Gedanken zu gehen, und nun scheint mir die Möglichkeit, rausgeworfen zu werden, die schlimmste aller denkbaren Katastrophen. Mein Experiment ist noch nicht beendet, ich will zu dieser Gemeinschaft gehören, wenigstens eine Zeitlang. Vielleicht hilft mir die Profess, endlich irgendwo anzukommen.“ (147)

Immer noch ist das Klosterleben ein Experiment. Immer noch hofft Veronika Peters, „irgendwo“ anzukommen. Doch wo?

In einem bemerkenswerten Gespräch mit Schwester Luise rät ihr die Nonne, die Entscheidung in Gottes Hand zu legen und nicht zu vergessen, worauf es wirklich ankomme: „Das `weite Herz, von dem Benedikt in seiner Regel spricht, ist das Kriterium für echte Spiritualität.“ (147) Weiter: „Wir müssen eine Kultur des Aufeinanderhörens pflegen, der Achtung voreinander, der Bereitschaft, sich durch die anderen korrigieren zu lassen und, nicht zuletzt, die Liebe.“ (149)

Das Gespräch mit Schwester Luisa ist von zentraler Bedeutung für das Verständnis eines gelingenden Klosterlebens. Es verdeutlicht, mit welcher inneren Gestimmtheit die Einzelne ein solches Leben führen soll und kann, um den Anspruch nach Frieden, Freiheit und – ja: Glück im Bei-sich-Sein und im Zusammenleben mit den anderen Schwestern zu verwirklichen. Die Worte der Nonne lassen sich indes auch auf das Leben außerhalb des Klosters beziehen. In der Anwendung der dargestellten Lebens- und Verhaltensregeln ließe sich manches Familienleben fried- und freudvoller gestalten.

„Suchen Sie Gott?“ (149), fragt Luise Veronika Peters. Sie antwortet: „Gottsuche? Ich bin oft ratlos. Die Erbauungsliteratur, die mir von meiner Magistra empfohlen wird, beantwortet keine meiner Fragen. Ich suche das Gegenteil vom Rückzug in eine private kleine Religiosität, die allein um das persönliche Seelenheil besorgt ist. Ich möchte mit meiner Existenz ein Zeichen setzen gegen eine Innerlichkeit, die nur mit sich selbst befasst ist. Ich will mich nicht gut fühlen, ich will gut sein, gut leben in einem tieferen Sinne. Das Kloster sehe ich auch als Signal an eine Außenwelt, deren alleiniges Ziel es zu sein scheint, Besitz zu vergrößern. Mit meinem Leben als Teil des Signals sage ich: Schaut her, es geht auch anders, es gibt mehr als in Zahlen messbare Erfolge. Ist das Gottsuche? Ist das zu profan? Sobald ich mich dann allerdings bei moralischen Überlegenheitsgefühlen erwische, gerät alles wieder in Schieflage. Sie sagen: arbeiten, schwerpunktmäßig an mir selbst? Dafür scheint mir die Schule für den Dienst des Herrn gar nicht mal so ungeeignet. Ich möchte weitermachen und bleiben.“ (149 f.)

Zwei Drittel der Klosterfrauen müssen mit Ja stimmen. Veronika Peters weiß, dass es eng werden wird.

Doch es gelingt, nicht zuletzt durch die Fürsprache der Äbtissin. Die Ablegung der ewigen Profess, die Entscheidung für das Klosterleben, die endgültige Bindung – Veronika Peters hat es geschafft, hat sich gegen die Zweifler durchgesetzt. Angekommen? Nein, immer noch nicht. Immer noch Skepsis, immer noch spricht sie von einem „Experiment“, das in seine „entscheidende Phase“ tritt. Sie redet davon, dass sie sich als „Vollnonne erproben“ darf. Erproben?

„Insgesamt fünfeinhalb Jahre liegen hinter mir. Ich habe durchgehalten. Wer hätte das gedacht?“ (166) Nun hat sie sich für ein lebenslanges Bleiben verpflichtet, indem sie die ewigen Gelübde ablegt. „Die Faszination des Bleibens für eine, deren Überlebensstrategie immer das Flüchten war.“ (166) Ein wichtiger Satz für diese – abgebrochene – Klosterbiografie, denn Veronika Peters wird wieder gehen. Ist dieses Gehen nach über 12 Jahren eine Flucht? Wenn ja: Warum ist sie nicht „angekommen“? Waren es die prägenden Erlebnisse in ihrem Elternhaus, das sie mit fünfzehn Jahren verlässt, weil es von einem cholerischen Alkoholiker beherrscht wird? (9) Flucht als lebenslange Verhaltensstrategie?

Was bleibt, ist die Sehnsucht nach einem menschlichen Körper, aber, so bestätigt ihr Luise, das sei ganz normal. Sie habe auch nach vierzig Jahren Klosterleben noch manchmal „Sehnsucht nach der Zuwendung eines Mannes“. (166)

Nach dem feierlichen Ablegen der ewigen Profess, dessen Schilderung im Buch sehr umfangreich ist, warten neue Aufgaben auf Veronika Peters. Nach dem Willen Mutter Raphaelas soll sie ein Fernstudium in Theologie beginnen, damit sie sich „in die christliche Glaubenslehre vertieft.“ (187)

Sie ist viel unterwegs und macht schließlich ihren Abschluss. An der grundsätzlichen Unsicherheit in Bezug auf ihr Leben als Ordensschwester ändert aber auch das nichts. „Raphaela wird fragen, ob ich jetzt, theologisch gefestigt, Heimat in der katholischen Kirche gefunden habe, und ich werde ihr wieder nur mit „Ich weiß es nicht“ antworten können. Das Wort trotzdem ist zur Durchhalteparole geworden; das hatte ich mir anders vorgestellt.“ (198)

Die Entscheidung der Äbtissin, Veronika Peters mit der Leitung der Klosterbuchhandlung zu betrauen, weckt deren heftigen Widerstand. Schließlich sei sie nicht ins Kloster gegangen, um Geschäftsfrau zu werden. Sie hat Angst, noch weiter an den Rand der Gemeinschaft zu treiben, fügt sich aber dem Willen Raphaelas. Mit Schwester Paula stirbt zur gleichen Zeit eine Freundin, die Veronika Peters stets zur Seite gestanden hat.

Fortan widmet sie sich der Klosterbuchhandlung, die grundlegend umgestaltet wird. „Chefeinkäufer, Computerfrau, Dekorateurin, Verkäuferin, schließlich auch Organisatorin von gutbesuchten Lesungen. Full-time-Job mit respektabler Erfolgsquote.

Was hat mein Alltagsleben noch mit dem zu tun, was ich im Kloster wollte?“ (227)

Die Arbeit in der Buchhandlung, der ein Dienst an der Gemeinschaft ist, führt Veronika Peters wieder tiefer in den Zweifel. Sie fühlt sich fremd, nicht ganz dazugehörend, wenn sie beim Mittagessen im Refektorium sitzt, und fragt sich, woran das liegt. Nicht an den Nonnen erkennt sie und konstatiert „mangelnde Gemeinschaftsfähigkeit“ (230) ihrerseits. „Manchmal legt sich die Bindung an diesen Ort wie eine Schlinge um meinen Hals. Genug Luft zum Atmen bleibt, für große Sprünge reicht es nicht mehr.“ (230)

Das hört sich bitter an, ja, in diesen Worten kündigt sich das Ende ihrer Klosterjahre an. Sie geht hart mit sich ins Gericht, zu hart vielleicht: „Es gibt diejenigen, die wirklich in die Tiefe dringen, wie auch immer die äußeren Umstände beschaffen sind. Bei mir hat es bislang nur für ein Kratzen an der Oberfläche gereicht, allenfalls die stellenweise Freilegung der oberen Schicht.

Besser als nichts. Zuwenig.“ (231)

Veronika Peters wird das Kloster bald verlassen. Ein, wenn nicht letztlich der Grund: ein Mann, in den sie sich verliebt: „Er stand mit dem vierten Band der „Jahrestage“ unter dem Arm in der Buchhandlung.“ Vince tritt auf, nimmt zunehmend mehr Raum ein in ihrem Leben, während das Gefühl für die Zugehörigkeit zur klösterlichen Gemeinschaft brüchig wird. Die platonische „Beziehung“ zwischen der (Noch-)Nonne und Vince dauert zwei Jahre, bis für Veronika Peters klar ist, dass sie sich entscheiden muss. Oder die Entscheidung schon längst getroffen hat: „Eines Tages schaute ich mich während einer Rekreation, in der zwei Schwestern heiter von ihren Ferien auf der Fraueninsel im Chiemsee berichteten, in der Runde der wohlwollend zuhörenden Nonnen um und wusste: „Ich bin schon längst weg.“ (242)

Der Äbtissin gelingt es nicht mehr, sie zum Bleiben zu bewegen. Sie geht, verschwindet einfach so, aber, sagt sie, „der Schlusspunkt war längst gesetzt.“ (249)

„Hätte ich früher wieder gehen sollen?

Was soll´s, so ist meine Geschichte, ich habe keine andere.

Gescheitert? Nein, weitergegangen.“ (251)

Sie habe, sagt Veronika Peters, dieses Kloster geliebt. „Er war etwas Besonderes, auch wenn er nicht gehalten hat, was ich mir von ihm versprach.“ (250)

Vielleicht liegt genau hier der Grundirrtum: Der Ort, die Gemeinschaft, die Anderen sollten ein Versprechen einlösen. Wie sollte das möglich sein? Das Versprechen lag und liegt allein in ihr. In Schwester Luise ist sie einem Menschen begegnet, der dieses Versprechen offenbar eingelöst hat. In sich, für sich und damit auch für die Gemeinschaft, in der sie lebt. „Wahrscheinlich ist sie die eigentlich tragende Säule des Klosters, warum wird so jemand nicht Magistra? Ich frage mich, wie sie das macht, ihre innere Ruhe, die scheinbar durch nichts zu erschütternde Zuversicht, ihre Gelassenheit im Umgang mit den Widrigkeiten des kommunitären Alltags.“ (148) Luise macht sie auch auf einen weiteren wichtigen Aspekt des Klosterlebens aufmerksam: „Das Leben im Kloster erfordert harte Arbeit, in erster Linie an sich selbst. Was tun Sie für ein besseres Miteinander?“ (149)

Veronika Peters ist es mit „Was in zwei Koffer passt“ gelungen, den Alltag eines Nonnenklosters zu beschreiben und in der Darstellung die Höhen und die Tiefen des kommunitären Zusammenlebens von dreißig Frauen nachvollziehbar werden zu lassen. Es ist ein Leben, das von der Sehnsucht nach Gott getragen wird, das in der Ausrichtung auf die religiösen Strukturen Halt und Form gewinnt. Sie spart aber auch nicht die charakterlichen Eigenheiten aus, mit der eine jede Schwester ausgestattet ist. Das Kloster ist kein konfliktfreier Raum, im Gegenteil. Aber das klösterliche Zusammenleben nötigt auch zu der Notwendigkeit, ein besseres Miteinander zu erproben, weil sonst Gemeinschaft nicht möglich ist.

Veronika Peters verlässt diese Gemeinschaft wieder. Jeder einzelnen Nonne verdanke sie viel, schreibt sie zum Abschluss. „Es war eine wichtige Zeit, trotz – oder gerade wegen? – all der inneren Widerstände und Kämpfe.“ (250)

Es gehört ohne Zweifel zu den Vorzügen dieses lesenswerten Buches, diese Kämpfe, deren Darstellung sich wie ein roter Faden durch die zweihundertvierzig Seiten zieht, thematisiert zu haben. So ist die Antwort auf die Abschlussfrage, die sich Veronika Peters stellt, schlüssig: „Gescheitert? Nein, weitergegangen.“ (251)

 

Alles Gute auf dem Weg!

 

Copyright Hubertus Tigges 2015

 

Veronika Peters

Was in zwei Koffer passt

Klosterjahre

Wilhelm Goldmann Verlag München in der Verlagsgruppe Randomhouse GmbH, 4.  Auflage 2007

 

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