Du - das zweite Jahr
Freitag, 1. Oktober 2010 – Danke!
Heute Nacht habe ich von dir geträumt. Erst saßest du auf meinem Bett, dann auf meinem Schreibtisch. Du batest mich, das Fenster zu öffnen, weil die Luft so stickig sei.
Ich sitze hier im Zimmer eines Hotels in Lübeck. Die Sonne scheint, der Himmel ist blau, und gleich werde ich wieder in die Stadt gehen, um mir das Rathaus, vor allem auch das Buddenbrookhaus anzusehen. Und morgen, mein Schatz, bin ich wieder bei dir!
Montag, 4. Oktober 2010 – Danke!
Du bist mir das Liebste und Wertvollste, was mir auf dieser Welt ist, meine liebe Anna Luisa! Ich liebe dich so sehr!
Seit einigen Tagen ist deutlich zu spüren, dass du dein Baby-Dasein hinter dich gelassen hast. Das schmerzt ein wenig. Aus welchen Gründen auch immer.
Dienstag, 5. Oktober 2010 – Danke!
Heute hast du Gitarre gespielt. Ich sitze auf dem Futon, mit übereinandergeschlagenen Beinen und spiele. Du stellst dich hin, voll Neugier und Interesse, dann streichst du mit deiner Hand über die Saiten. Am Griffbrett. Immer wieder. Die Gitarre tönt. Es macht dir Freude. Du kommst immer wieder, stellst dich hin, schlägst die Saiten an.
Mittwoch, 6. Oktober 2010 – Danke!
Heute hast du nur schwer einschlafen können. Ich habe mich neben dein Bettchen gelegt. Da hast du dich hingelegt und durch die Stäbe des Gitters nach meiner Hand gegriffen. Das war so unfassbar rührend, dass mir die Tränen kamen.
Gestern hast du von 11 bis 5 Uhr zwischen uns geschlafen. In der Mitte des Futons. Ich hatte nicht so viel Platz, aber das war egal, denn um elf hattest du so geschrien, dass wir nicht wussten, was los ist. Ich habe deinen Bauch gerieben und „Lalilu“ gesungen, bis du schließlich eingeschlafen bist.
Montag, 11. Oktober 2010 – Danke!
Wir sind in der Eifel. Am Samstagmorgen sind wir von Amrum losgefahren, 7.15 Uhr mit der Fähre. Du hattest Schnupfen, hast du immer noch, und ich war nicht sicher, ob es so eine gute Idee war, zu fahren. Auf der Fähre habe ich dich lange herumgetragen. Du nimmst alles um dich her viel bewusster wahr. Und alles ist für dich „Hawau!“ Heute allerdings hast du „Mäh!“ gesagt, als wir dir die Schafe gezeigt haben und wir dich gefragt haben: „Wie macht das Schaf!“ – „Mäh!“, hast du gesagt.
Wir sind zuerst nach Hannover gefahren, zu Tante A. und ihrem Freund. Da hast du schon einmal geschlafen. Es ist nicht Hannover, sondern Großburgwedel. Wir haben uns Zeit gelassen. Es war ein wunderschöner Herbsttag: sonnig, blauer Himmel, einfach zauberhaft. Du hast in deinem neuen Kindersitz gesessen, mit Blick in Fahrtrichtung. Wir sind durch Hamburg. Da gab es einen kleinen Stau vor und nach dem Elbtunnel, aber ansonsten verlief die Fahrt reibungslos. In Großburgwedel ist A. mit mir zu einer Apotheke gefahren, um Prospan, ein Hustenmittel, für dich zu kaufen. In der Wohnung der beiden bist du fleißig herumgekrabbelt. H. war ganz fasziniert von dir und hat einige Fotos gemacht. Einschlafen konntest du nicht. Das war wirklich schwer. Auch die Nacht war sehr anstrengend, da du immer husten musstest. Erst gegen vier, als Mama dich in unser Bett legte, schliefen wir durch, vier Stunden immerhin, bis acht.
Am Sonntag sind wir weitergefahren. A 2, A 1 bis zum Ende in die Eifel, nach Daun zu einem Dorinth-Hotel. Die Fahrt war anstrengend. Die Sonne hat geschienen. Im Wagen war es ziemlich warm. Wir haben einige Male gehalten, damit du aus deinem Sitz konntest. Gegen 17 Uhr waren wir in unserem Bungalow, einem Häuschen mit 75 qm Wohnfläche. Das ist toll! 40 qm mehr als auf Amrum. Duw hast ein eigenes Zimmer, aber auch gestern hast du nicht so gut geschlafen. Obwohl es hier absolut ruhig ist. Die Nase läuft, und Husten quält dich. Mama hat bei dir im Zimmer geschlafen, denn ich habe auch Husten.
Heute Morgen nach dem Frühstück im Hotel sind wir spazieren gegangen. Du hast im Tragestell gesessen und bist zum ersten Mal nach zwanzig Minuten eingeschlafen. Wir sind zu einem Maar gewandert, haben in einem Restaurant gegessen und sind dann zurück hierher. Es war ein schöner Tag, der Herbstwald leuchtete. Am Nachmittag sind wir nach Daun zum Einkaufen.
Einschlafen war etwas schwierig. Durch den Schnupfen kannst du nicht so gut durch die Nase atmen. Wenn du den Schnuller verlierst, wachst du gleich auf und schreist. Erst gegen 21 Uhr bist du eingeschlafen.
Donnerstag, 14. Oktober 2010 – Danke!
Heute waren wir in Daun im Naturpark. Ein großes Waldgebiet, in dem wir mit dem Auto unterwegs gewesen sind. Es gab Hirsche, Kamele, Wildschweine, Rehe. Spannend, allerdings hast du einen Teil der Fahrt verschlafen. Die meisten Tiere waren für dich. „Hawauh!“ Aber auf die Frage: „Wie macht das Schaf?“ – hast du mit „Hmäh!“ geantwortet. Total süß! Ein leises, süßes „Hamäh!“ Und heute hast du „Eis!“ gesagt, nicht nur „Ei“, sondern mit dem „s“: Eis. Das Herumkrabbeln in der großen Wohnung liebst du. „Hapapa“, sagst du ständig. Und „Hamama“. „Papa“ und „Mama“.
Wir hoffen, dass du deine Erkältung überwunden hast. Zumindest läuft die Nase heute nicht mehr so stark wie in den vergangenen Tagen. Gehustet hast du auch nicht mehr so viel.
Gestern sind wir noch einmal mit dir spazieren gegangen. In der Trage. Du bist wieder eingeschlafen. Wenn du im Kinderwagen schläfst oder im Kindersitz im Auto, siehst du aus wie ein Engel. Ich liebe dich, mein Schatz! Ich liebe dich!
Mittwoch, 20. Oktober 2010 – Danke!
Gestern bist du auf den Futon geklettert. Erst hast du das große Liederbuch herausgezogen. Das habe ich dir abgenommen und auf den Futon gelegt. Aber du wolltest es unbedingt. Also bist du aufgestanden, hast das linke Knie auf die Matratze gelegt, mit dem rechten Bein nachgeholfen – und schwupps!, warst du oben!
Du hast jetzt sieben Milchzähne. Die oberen Schneidezähne sind deutlich sichtbar …- meine Güte! Wie schnell das geht! Zwölf Monate und drei Wochen bist du nun bei uns. Es geht alles so schnell, so schnell … Am Samstag waren wir wieder bei deinen Großeltern in E. Wir haben sie etwas überrumpelt mit unserem Besuch, keine Frage, aber sie haben sich gefreut, dich zu sehen. Sie saßen auf dem Sofa, du zwischen ihnen, und haben mit dir herumgeschäkert. Das war ohne Zweifel die heiterste Situation unseres Aufenthaltes. Mama hat sich über die Freude deines Opas und deiner Oma sehr gefreut. Sie war wohl gerührt … irgendwie. Am Sonntagmorgen sind wir zurück nach Amrum gefahren. Das war ein anstrengender Tag für dich. Elf Stunden waren wir unterwegs. Du hattest sichtbar keine Lust mehr. Verständlich, sehr verständlich.
Nun sind wir seit Sonntag wieder hier. Das Leben geht weiter wie bisher. Schmerzhaft vermissen wir die Größe des Appartements in der Eifel, denn dort konntest du nach Herzenslust herumkrabbeln. Hier ist doch alles manchmal sehr eng und klein.
Donnerstag, 26. Oktober 2010 – Danke!
Am Morgen
nachdem
du
aufgewacht
bist
im Bett
sitzend
den Schnuller
im Mund
hebe ich
dich hinaus
trage dich
auf
meinem Arm
zum Fenster
du
schaust
aus großen
Augen
in den Tag
„Oto“
sagst du
wenn
ein
Auto
vorüberfährt
„Oh!
für einen
Fußgänger
du greifst
nach
blauen
gelben
roten
Vögeln
fasst sie
bis sie
sich lösen
vom
kleinen
Magneten
die sie
halten
verbunden
mit einem
Plastikfaden
auf die
Stirn
küsse
ich dich
mein Kind
im Schlafsack
und Schlafanzug
gleich
suchen wir
die Etikette
Julius Zöller
Schlafsack gesteppt
Qualität für Kinder
Größe 90
Hergestellt in Deutschland
Sonntag, 24. Oktober 2010 – Danke!
Ein Hund ist für dich „Hawauh!“ Ein Schaf „Hamäh!“ Ein Pferd „Habuh!“ Du sprichst immer mehr Wörter aus: Ball, Eis, Au, Papa, Mama, Oma. Toll, das mitzuerleben!
Heute hast du gelacht, einfach, weil ich gelacht habe: Du hast mitgelacht!
Durchschlafen ist immer noch ein Problem. Wir versuchen, das zweite Fläschchen ausfallen zu lassen, denn Hunger, da sind wir uns einig, hast du eigentlich nicht. Mama oder ich legen uns dann um 0 Uhr, um 1 oder 2 Uhr neben dein Bettchen auf den Fußboden und halten deine Hand, damit du wieder einschlafen kannst. Ohne Fläschchen. Das ist sehr anstrengend, keine Frage. Aber wir bekommen das schon hin. Wir haben den „Himmel“ an deinem Bettchen abgebaut. Die Gefahr, dass du auf die Befestigungsteile stürzt, wenn du dich hochziehst, schienen uns zu groß. Ein weiterer Abschied von deinem Babydasein.
Montag, 25. Oktober 2010 – Danke!
Dein warmes
Händchen
reichst
du mir
durch die
Stäbe des
Bettchens
suchst
meine Hand
umklammerst
sie
fest
Ich spüre
den Druck
deiner
kleinen
Finger
die nicht
loslassen
wollen
ich liege
auf dem
Fußboden
gelbe Decke
harter Grund
spüre die
Wärme
deiner Fingerchen
Du hebst
dein Köpfchen
schaust
ob
ich da
bin
meine Hände
dein
Köpfchen
zu streicheln
Montag, 13. Juni 2011 - Danke!
Gestern noch
saß
ich
neben dir
im
Sand
schaute
mit
dir
auf
eine Muschel
einen Stein
den du
mir
in die Hand
gelegt
hast
gestern noch
schaufelte
ich
mit deinem
kleinen
Eimer
Wasser
aus
der
Nordsee
schüttete
es
aus
„Nochmal!“
sagtest du
und
ich
gehe
einmal
zweimal
dreimal
viermal …
Gestern
noch
trug
ich
dich
weil du
nicht
mehr
laufen
wolltest
hob ich
dich
auf
weil du
gestürzt
warst
gestern noch
wischte
ich dir
eine Träne
aus
deinem Gesicht
gestern noch
streichelte
ich
dein
Gesicht
als
du schreiend
aus einem
bösen
Traum
erwachtest
oder
Bauchschmerzen
hattest
gestern noch
riefest du
„Papa Eidis
gucken!“
und
„Papa Schoß!“
gestern noch
liefest
du durch
das
große
„Bimmer“
riefest
„Tor! Anna Tor!“
saßest
weinend
auf dem
Boden
wenn
du
den Ball
nicht bekamst
gestern noch
fütterte ich
dich
Löffel
für
Löffel
und putzte
dir den
Mund
ab
gestern noch
warfst
du Steine
ins
Wasser
des Brunnens
im Park
liefst dem
Storch
hinterher
gestern
noch
wolltest
du
„Windräder gucken!“
und „Engel!“
und die
Tiere
im Haushaltswarengeschäft
gestern noch
sagtest du
„Oink! Oink!“
als du
die Schweinchen
sahst
in der
Auslage
der Buchhandlung
gestern noch
schriest
du
und weintest
und
lachtest
und jauchztest
gestern noch
war ich
„Großer Papa!“
und du
„Kleine Anna!“
gestern noch
wolltest du
Papa und
Mama
„Küsschen geben!“
wolltest
„Buddha gucken!“
und
vorgestern …
ja vorgestern
schob ich
dich
im Kinderwagen
durch Amrums
Wald
aber dieses
Vorgestern
ist
schon
wieder
eine
ganz
andere
Zeit …
Aber:
Wie sehr
vermisse ich dieses
Gestern
und Vorgestern!
Montag, 5. September 2011 – Danke!
Du hast schon wieder einen „Sprung“ in der Entwicklung gemacht, wie mir scheint. Du wirkst auf mich verständiger, „reifer“ als noch vor wenigen Tagen. Deine Fähigkeiten, dich sprachlich auszudrücken, sind wieder größer geworden, ebenso deine motorischen Fähigkeiten. Am Nachmittag waren wir gestern im Café Klein Helgoland. Das liegt am Ende des Hafens. Wir sind ein Stück auf dem Deich entlanggelaufen, und du hast wieder Pusteblumen gepflückt. „Papa pusten!“, hast du gesagt und mir die Blume hingehalten. Oben auf dem Deich standen Schäfchen, die du ausgiebig betrachtest hast. Während wir auf Kaffee und Kuchen gewartet haben, bist du einen kleinen Deichabschnitt hinauf- und hinuntergelaufen.
Läufst den
„Berg“
hinab
und
ich
ich
nehme
dich
in
meine
Arme
wirbele
dich
herum
werfe
dich
hoch
in die Luft
Der Kuchen war lecker. Du hast eine Kugel Erdbeereis gegessen. Wir geben dir etwas zu viel Süßkram, aber … - naja. Auf dem Rückweg haben wir uns die Segelschiffe angeschaut, die im Hafen lagen. Du auf meinem Arm. „Boje!“, hast du immer wieder gesagt. „Auch Boje!“ Du bist ein kleines Stück zurückgelaufen, ohne dass es dich gekümmert zu haben schien, ob wir nachkommen oder nicht. Aber da stand ein Kinderrad mit bunten Kugeln in den Speichen, das hat dich sehr fasziniert. Mama hat dich ein Stück auf ihren Schultern getragen. Du hast ihre Haare zerzaust. Plötzlich hast du angefangen, sehr laut zu schreien, ohne dass klar war, warum. Auf dem Rückweg zur Sparkasse. Dir ist es gelungen, ganz allein auf das Schaukelpferd dort zu kommen und auch wieder abzusteigen.
Papa Hand!
sagst
du und
Mama auch
Hand!
Ganz schnell!
Wir
laufen
eins, zwei, drei …
Hand
in Hand
in
Hand
wir drei
du
in der Mitte
laufen
ganz
schnell
und
eins, zwei, drei, vier …
heben dich
hoch
in die
Luft!
Du
lachst!
sagst
Nochmal!
und
wir
laufen
wieder
eins, zwei, drei, vier …
hoch
in die
Luft!
Wir
drei
du
Mama
und
ich
an einem
Septembernachmittag
an
dem
alles
Glück
dieser
Welt
in
deinen
Händen
liegt
an dem
wir
drei
eins
sind
das
ist
was
zählt
Freitag, 30. September 2011 – Danke!
Gestern hattest du Geburtstag! Zwei Jahre jung bist du geworden! Immer wenn wir dich gefragt haben, wie alt du bist, hast du gesagt: „Fünf Jahre alt.“ Du hast ein Laufrad geschenkt bekommen. Auch eine Holzeisenbahn. Und ein Set mit Musikinstrumenten. Mama hat einen Kuchen für dich gebacken. Am Vormittag sind wir nach Oevenum zum Bauernmarkt. Da bist du Karussell gefahren. Es war schön, dir dabei zuzuschauen. Obwohl es nur ein kleines war, warst du richtig verzückt, auf dem Pferd sitzen zu können und dich im Kreis herumtragen zu lassen.
Das
Glück
dich
so zu
sehen:
aufmerksam
erstaunt
lachend
auf
dem Karussell
auf der
grünen
Wiese
dein
Glück
ist meines
Happy birthday
to you, mein Schatz!
Copyright 2019 Hubertus Tigges
Mehr lesen? Du - das zweite Jahr ist als Taschenbuch bei epubli erschienen:
Du - das zweite Jahr
Taschenbuch, 260 Seiten, 10,99 Euro
epubli GmbH, 01. April 2019
ISBN 9783748526001